INDUSTRIE

„Kommen Sie damit klar, dass Sie bei uns niemand sind?“

Ein Wechsel von der Beratung in die Industrie klingt für viele im ersten Moment verlockend. Doch wir haben uns beide Seiten einmal angeschaut und festgestellt: So rosig sieht das ganze doch nicht aus.

Dass der Job in der Industrie wesentlich weniger stressig ist, ist wohl allseits bekannt. Es sind weniger Fristen zu beachten, weil man eben nur noch einen Mandanten – oder höchstens noch ein paar Tochter- oder Schwestergesellschaften – betreut. Genau das kann sich aber auch zeitnah als Nachteil herausstellen. Die fachliche Langeweile ist in den meisten Fällen ziemlich schnell gegeben, da einfach nicht viel passiert. Ein Unternehmen ändert nicht plötzlich sein Geschäftsmodell und so hat man eigentlich jeden Monat dieselben Rechnungen zu buchen, die gleichen Mitarbeiter abzurechnen oder eben dieselben steuerlichen Sachverhalte zu würdigen, was fachlich natürlich nicht sehr reizvoll erscheint.

So richtig interessant wird es eigentlich nur, wenn mal eine Verschmelzung, Abspaltung oder Umstrukturierung stattfindet. Aber auch das ist keine Aufgabe, die für ein ganzes Jahr reicht, sondern nach ein bis zwei Wochen abgearbeitet ist. Danach ruft also wieder das ganz normale Tagesgeschäft, das sich sehr ähnelt und die meisten schon nach ein bis zwei Jahren wieder zurück in die Beratung treibt.

Ein weiterer Nachteil der Industrie ist das veränderte Arbeitstempo. In der Steuerberatung ist dies ziemlich zügig, denn man hat 20 bis 30 Mandanten zu betreuen und alles muss fristgerecht fertig sein. Genau dieses Tempo fehlt jedoch meistens in der Industrie. Viele Steuerleute, mit denen wir in der Vergangenheit gesprochen haben, teilten uns mit, dass sie mit dem fehlenden „Tempo“ in so manchem Industrieunternehmen nicht klar gekommen sind und daher ganz schnell wieder in die Beratung, oft sogar zum alten Arbeitgeber zurück, wechselten.

Der schwerwiegendste – vermeintliche – Vorteil der Industrie ist natürlich das Gehalt. Das Problem hierbei ist, dass sich viele durch das augenscheinlich bessere Geld blenden lassen und nicht mehr sehen, dass nicht alles was glänzt auch Gold ist. Natürlich erscheint es auf den ersten Blick verlockend für einen Steuerfachangestellten, der in der Beratung vielleicht 40.000€ verdient, in der Industrie ein Gehalt von 50.000€ zu beziehen. Jedoch ist dies nur ein temporärer Vorteil. Der Steuerfachangestellte kann davon ausgehen, dass er immer ungefähr bei diesen 50.000€ bleiben wird, da er niemand mehr ist, der „Umsatz reinbringt“ – das Argument schlechthin für eine Gehaltserhöhung in der Beratung. In der Industrie arbeitet man lediglich das Papier ab, bringt jedoch kein Geld rein. So ist es ganz klar, dass beispielsweise ein Steuerberater am Ende deutlich mehr in der Beratung verdienen kann, als in der Industrie – insbesondere, wenn er in eine Partnerschaft einsteigt, bei größeren Beratungsfirmen in eine höhere Position aufsteigt oder selbst eine Gesellschaft gründet.

„Kommen Sie damit klar, dass Sie bei uns niemand sind?“

Wie man sieht gibt es doch einige Vor- und Nachteile, die nicht jeder sofort auf dem Schirm hat. Auch die Frage, wie wichtig einem sein Ansehen ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Denn die Frage „Kommen Sie damit klar, dass Sie bei uns niemand sind?“ ist eine Frage, mit der man durchaus beim Bewerbungsgespräch in der Industrie konfrontiert werden kann. Ein Steuerberater in der Beratung ist sehr angesehen, seine Mandanten und Mitarbeiter schauen zu ihm auf, seine Meinung wird gefragt und natürlich auch zu Geld gemacht. In der Industrie kann es mitunter vorkommen, dass er nur noch ein Syndikus-Steuerberater ist, der in seinem Räumchen sitzt, das Papier abarbeitet und nur noch selten Wert auf seine Meinung gelegt wird. Man ist also nicht mehr der, der man mal war – ein wichtiger Punkt, den man berücksichtigen sollte, wenn man überlegt, in die Industrie zu wechseln.

„Tut uns leid, aber dich wollen wir gar nicht mehr zurück. Du verdienst zu viel für das, was du tust, du bist fachlich nicht mehr auf dem neusten Stand, weil du die ganzen Fortbildungen verpasst hast und du bist vor allem viel zu langsam geworden.“

Des Weiteren sollte man sich bewusst sein, dass es oft aus der Industrie kein Zurück mehr gibt. Nach drei, vier oder fünf Jahren, die beispielsweise ein Steuerfachangestellter in der Industrie verbracht hat, sagt die Steuerwelt oft: „Tut uns leid, aber dich wollen wir gar nicht mehr zurück. Du verdienst zu viel für das, was du tust, du bist fachlich nicht mehr auf dem neusten Stand, weil du die ganzen Fortbildungen verpasst hast und du bist vor allem viel zu langsam geworden.“ Die Industrie entwickelt sich somit oft zu einer Sackgasse, aus der man nicht mehr herauskommt und somit schlimmstenfalls 40 Jahre seines Lebens als Buchhalter in der Industrie arbeitet – immer mit der Angst, dass ein solcher Job in der Industrie von heute auf morgen wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert werden könnte. Im Vergleich zu einem Job in der Beratung ist der in der Industrie nämlich keinesfalls so sicher. Ein neuer Investor, ein anderer Geschäftsführer, eine Wirtschaftskrise oder auch nur eine Unternehmenskrise kann für eine plötzliche Arbeitslosigkeit sorgen.

Wir würden euch raten: Erstellt eine Pro und Kontra Liste! Jedes Industrieunternehmen ist natürlich anders, aber man sollte sich einen solchen Schritt sehr gut überlegen. Kommt es bei dir wirklich nur auf das Gehalt an? Natürlich kann Geld für eine gewisse Zeit ein Motivator sein. Aber ist das in zwei, fünf oder zehn Jahren auch noch so, wenn du immer noch auf dem gleichen Gehalt bist, dafür aber vielleicht die Atmosphäre nicht stimmt und du dich die Hälfte des Monats durch den Tag quälst, weil die Aufgaben zur Routine geworden sind und du dich persönlich nicht mehr weiterentwickelst? Ein kleiner Denkanreiz von uns für dich.

Falls du Hilfe dabei benötigst, den Weg von der Industrie zurück in die Beratung zu finden oder du dennoch gerne in die Industrie wechseln möchtest, melde dich unverbindlich bei uns. Wir helfen dir kostenlos und völlig risikofrei dabei, die für dich passende Kanzlei / das für dich passende Unternehmen zu finden.